Die Bildwelten von Velimir Ilisevic beleuchten Bereiche jenseits des eigentlich Sichtbaren. Es sind Vorstellungs- oder Sehnsuchtswelten, deren Funktionen vage und offen bleiben, und die Erfahrungen zwischen Leben und Tod, Leidenschaft und Verzweiflung, Erfolg und Scheitern ausloten.
Zürich — Der in Kroatien geborene und in Stein am Rhein lebende Velimir Ilisevic (*1965, Sisak) geht von visuellen Eindrücken seiner Umgebung aus: von einem Haus, von schwarzen Schirmen, schwarzen Kohlebügeleisen, einem Schwarm Fische, Baumstrünken, einer Axt, einem Schädel oder einem Vogel. In scheinbar ungelenker, impulsiver Pinselhandschrift sind die Objekte als ausgefranste fleckenartige Gebilde wiedergegeben, so, als würde man sie aus grosser Distanz betrachten. Malend überführt er sie sukzessive in abstrakt-figurative Bildelemente und schliesslich in authentische Zeichen und lässt dabei seine persönliche Befindlichkeit, seine Gedanken, Erinnerungen und Wahrnehmungen einfliessen. Diese entfalten sich vor einer gitter- oder textilartigen Farbfläche, die meist die Ränder der Leinwand frei lässt. Durch die kräftig aufgetragene Farbe erhalten sie eine körperliche Dimension, während die Komposition mit rein malerischen Mittel und ohne Zentralperspektive vage Räumlichkeit andeutet. Die Figuren verknüpfen sich jedoch nicht zu einer Erzählung, sondern wirken wie geheimnisvolle Chiffren einer sinnlos gewordenen Welt.
Auf der Suche nach dem stimmigen Bild – als Träger einer Botschaft und gleich- zeitig als Ausdruck reiner Malerei – interessiert Ilisevic, wie radikal sich seine Konfigurationen auflösen lassen. Er entwickelt einen Bildgedanken oft in Serien und parallel auf Papier. Dabei löst er die Formen allmählich auf, ohne dass jedoch das Essentielle der Aussage verloren geht. Zum Verständnis der Werke tragen oft die Titel bei. So lesen wir die vier zerfledernden, graubraunen Flecken mit vage angedeuteten Augen vor gelbgrünem Hintergrund nur dank dem Titel als ‹Fische›.
Die Zeichen sind nicht nur Verdichtungen des Erlebten, sondern immer auch ein Nachdenken über die Malerei selbst. Dabei leitet ihn die Frage, was noch malbar ist oder was bisher so noch nie gezeigt wurde. In pastos-breiten Pinselstrichen bleibt die Bewegung der Hand fühlbar. Oft evoziert die aufgepeitschte Malerei existenzielle Bedrohung. «Es sind Bedrohungen und es sind Existenzen vom Mensch, Tier, Natur aber auch Wille und Widerstand, die mich bewegen und berühren. Es sind Ängste und Freuden im Leben. Es ist das Pendeln zwischen Erfolg und Scheitern, Liebe und Hass, Leidenschaft und Verzweiflung, Überleben oder Untergehen.» Ilisevic gelingt es, einfache Sinnbilder zu schaffen, die für einen magischen Augenblick stehen mögen, für eine Stimmung oder eine ihn berührende Naturerfahrung.
Dominique von Burg
im Kunstbulletin 11/2015